Tuesday, October 23, 2018

Reisebericht aus Kyiv, Ukraine

Im Oktober habe ich eine Woche in Kyiv, der Hauptstadt der Ukraine, verbracht. Zum Hintergrund – ich komme ja selber aus Kyiv, allerdings war das gerade mein zweiter Heimat-Besuch in den letzten 18 Jahren gewesen. Es ist schon bisschen komisch sich als fremder in einer Stadt zu fühlen, wo man aufgewachsen ist…

Zuerst das obligatorische „Ich sitze im Zug“-Zeichnung:
Während ich zeichnete, ging etwas in dem Zug kaputt, und ich steckte mitten in Feldern zwischen Köln und Frankfurt eine gute Stunde fest. Als Folge – Flug verpasst, 12 Stunden am Flughafen ausgeharrt, einen Polizeieinsatz miterlebt (nichts passiert), und – kein Bock auf zeichnen gehabt, wahrscheinlich zum ersten mal in meinem Leben.



Erste Zeichnung aus Kyiv –  ein Straßencafé in einem kleinen Park neben dem „Goldenen Tor von Kyiv“. Das Tor wurde vor ca. 1000 Jahren gebaut, danach von Mongolen zerstört, stand bis zu den 80-ern als Ruine mitten in der Stadt, und letztendlich wurde zum 1500-jährigen Jubiläum von Kyiv wieder aufgebaut. Auf mich wirkt das neue Gebäude immer noch als etwas künstliches – zum zeichnen fand ich den Kaffee-Verkäufer viel interessanter.


Noch ein Café, diesmal in Gestalt eines alten Straßenbahn-Wagens. Keine Ahnung, warum der hier steht – soviel ich weiß, an dieser Stelle gab es nie eine Straßenbahn. Im Hintergrund sieht man Silhouette vom Denkmal des berühmten ukrainischen Dichters Taras Schevchenko – seine Gedichte lese ich immer noch gerne, vor allem um die ukrainische Sprache nicht zu vergessen. Es war übrigens verdammt kalt an dem Morgen in Kyiv, und die netten Jungs aus dem Café-Wagen haben mir eine Tasse Tee spendiert – dafür bin ihnen endlos dankbar.

Kyiv ist eine sehr hügelige Stadt – vor allem am rechten Ufer von Dnipro – dem Fluss, an dem die Stadt steht. Deswegen gibt es in Kyiv unzählige Orte, an denen man wunderschöne Aussichten genießen kann. Hier ist eins davon - die Pejsazna Aleja, übersetzt etwa wie „Landschaftsgasse“, oder simpler – eine Straße mit toller Aussicht. Und wie überall auf der Welt, hier gibt es Menschen, die viel lieber auf ihre Handys starren, auch an solch schönen Orten.

Andere Orte sind vielleicht weniger schön. Hier zum Beispiel sind wir am Krestschatik – einer achtspurigen Straße mitten in der Stadt – es ist sehr laut und bisschen stickig. Links von uns liegt der bekannte Maidan Nesaleznosti (Platz der Unabhängigkeit). Genau an dieser Stelle brannten im Jahr 2014 Reifen und starben Menschen. 4 Jahre später sind fast alle Spuren der traurigen Ereignissen beseitigt; es wurden Mahnmale und Infotafel aufgestellt, der Krieg findet aber woanders immer noch statt.

Eine Straßenverkäuferin. Am Straßenrand wird es oft und viel verkauft; an jeder Ecke trifft man Menschen, die etwas anbieten – Souvenirs, Kosmetik, Kleidung… Ich fragte mich nur manchmal – kann man davon wirklich leben?

Eine Straße, an der ich als Kind ziemlich viel Zeit verbracht habe. Früher hieß sie Juri Chkalov Straße, heute – Oles Honchar Straße. Solche Umbenennungen der Straßen sind typisch für Kyiv – es liegt daran, dass extrem viele davon nach irgendwelchen kommunistischen Helden benannt wurden, und heutzutage klingen diese Namen in manchen Ohren nicht mehr so cool wie früher. Heute versucht man entweder die alten Straßennamen wiederherzustellen, oder die Straßen nach neuen Helden zu benennen. Mal sehen, ob man bald wieder etwas umbenennen muss.

In der sogenannten „Marschrutka“ – das sind Kleinbusse im öffentlichen Verkehr, die von unterschiedlichen Privatunternehmen betrieben werden. Erstaunlicherweise musste ich feststellen, dass ich in Kyiv eine gewisse Hemmung hatte, Menschen unterwegs zu zeichnen. Zuhause in Köln tue ich es fast jeden Tag und habe keine Probleme damit, aber dort bekam ich plötzlich Angst. Es lag vielleicht daran, dass ich überhaupt nicht wusste, wie Menschen in Kyiv reagieren, falls sie mich erwischen. Von den einheimischen Zeichnern wurde ich aber versichert – die Anwohner von Kyiv seien wirklich nett. Also – ich hab’s riskiert und nicht bereut.
Hinter der letzten Zeichnung aus Kyiv steht leider noch eine traurige Geschichte. Hier ist ein Holodomor-Denkmal abgebildet, zur Erinnerung an Hungersnot in der Ukraine in der 30-ern Jahren. Über diese Ereignisse wird extrem kontrovers diskutiert; man schiebt gern die Schuld in eine oder andere Richtung oder gar bestreitet die Tragödie. Fest steht nur – in den Jahren zwischen 1932 und 1933 starben an Hunger oder wurden als Diebe hingerichtet nach unterschiedlichen Berechnungen 3 bis 14 Millionen Menschen, und ich selbst erinnere mich noch an die schaurige Erzählungen meiner Großmutter aus den Zeiten…

Aber letztendlich bleibt Kyiv eine wunderschöne Stadt, die immer eine Reise wert ist. Dazu noch – in Kyiv gibt es eine nette USk-Truppe; also, ich würde es jedem empfehlen, die Stadt am Dnipro zu besuchen.